St. Martin zu Bettrum

Bettrum gehört zu den „Heim“-Siedlungen, die ab dem 4. Jahrhundert im Gebiet der germanischen Cherusker auf dem fruchtbaren Lößboden der Hildesheimer Börde gegründet wurden. Die Ursprünge der ersten Siedlung und des Ortsnamens liegen im Dunkeln.

Wurde es nach dem ersten Siedler („Bettos Heim“), nach der Einsiedelei eines Mönches (Betanum=Bitte um Wegzehrung) benannt, oder ist an der alten Legende etwas historisch Wahres, die besagt, die Zimmerleute hätten bei der Ausrichtung des ersten Kirchturmes „en betten rum“ gerufen?

Die enge Verbindung von Dorf und Kirche zeigt auch das Bettrumer Wappen: Auf rotem Feld beschützt der goldene Sparren (des Kirchendaches) die in Silber und Gold gehaltene Rose, das alte Symbol der menschlichen Seele (und gleichzeitig Hinweis auf das Geschlecht der von Saldern, die in Bettrum Besitztümer hatten).

Der Name der Kirche geht auf den Heiligen Martin von Tours zurück (Bischof im 4. Jh.). Ihre Ursprünge liegen im 12. Jahrhundert als sich die umliegenden Siedlungen von der Nettlinger Archidiakonatskirche lösten, Mutterkirchen entstanden (z.B. in Hoheneggelsen), die wiederum in den benachbarten Orten Tochterkirchen und Kapellen gründeten, indem man eigene Pfarrer (Mönche) zur Verkündigung des Evangeliums mit Hof und Land ausstattete und ein Gotteshaus errichtete. In dieser Zeit muss in Bettrum der erste Wehrturm als Taufkapelle St. Martin gegründet worden sein.

Am 20. Oktober 1542 wurde im gesamten damaligen Amt Steinbrück durch die Visitation des Schmalkaldischen Bundes die Reformation eingeführt: Deutsche Messe, Predigt und Gesang in der Muttersprache sowie der Gemeinschaftskelch des Heiligen Abendmahls. Erster protestantischer Pfarrer Bettrums war Johannes Rodemann. Wenige Jahre später (1553) kommt es zur Brandschatzung der Kirche durch den Markgrafen Albrecht von Kulmbach. Das gleiche Schicksal widerfährt der St. Martinskirche noch einmal im Dreißigjährigen Krieg durch die Truppen des katholischen Feldherrn Tilly.

In den Folgejahren sind laut Kirchenbücher immer wieder Instandsetzungsarbeiten nötig: 1646 wird der Turm mit Holz untermauert und dann 1660 unter Pastor Justus Bergmann (vgl. Inschrift!) wieder aufgebaut und der Tischlermeister H. Bartels erneuert den Kirchenboden. 1663 erhält die Kirche einen neuen Fußboden, neue Bänke und den Taufstein. 1682 wird die Turmuhr instandgesetzt und 1710 der Kronleuchter gestiftet. 1776 schließlich wird die neue „fis“-Glocke mit der Inschrift geweiht: „Wer mich hört sei bereit + Gott zu dienen allezeit + Gott zu Ehren hat die Gemeinde Bettrum diese Glocke gießen lassen + da Pastor war Herr Joh: Wilhelm Witter + gegossen von Joh: Conrad Greten in Braunschweig 1776“.

Die für das heutige Aussehen der Kirche einschneidendste Umgestaltung der Kirche wurde seit 1846 geplant und 1848/49 in eineinhalbjähriger Bauzeit nach Vorstellungen des Konsistorialbaumeisters Friedrich August Ludwig Hellner fertig gestellt und die Kirche kurz vor Weihnachten 1849 wieder eingeweiht. Es ist bauhistorisch die Epoche zwischen Klassizismus (Säulen) und Historismus (abgeschrägte Fensterecken, Gestaltung der Gesimse, Anordnung der Rundbogenfenster). Die Kirche wird mit 450 Plätzen die größte in der Region Söhlde werden. Sie ist einschließlich Turm und Sakristei 27,2 m lang, 12,9 m breit und bis zur Traufe 8,5m hoch.

Hellner gestaltet die Kirche als Außenarchitektur im Innern, d.h. die Kanzel (also die Predigt) als Zentrum, das aber eben – obwohl nach innen gerichtet – doch wie eine äußere (Haus-)Fassade wirkt, die Kanzel erscheint wie ein Balkon oder Austritt. Die Gottesdienstgemeinde im Inneren wird also dargestellt als eine außerhalb befindliche, öffentliche Versammlung und die Predigt ergeht ebenfalls nach außen, also an die Welt.

Unter Verwendung des alten Westturms (ca. 1500, mit Bruchsteinmauerwerk und spanischer Haube) entstand ein zweigeschossiger Sichtziegelbau, im Erdgeschoss durch schmale, niedrige, im Obergeschoss durch hohe Rundbogenfenster erleuchtet. (Kollegen Hellners kritisierten damals die Größe dieser „Treibhausfenster“, da sie das Gebäude zu durchsichtig und hell machten und alle Andacht im Inneren verscheuchten.) Der Raum über der eingezogenen Sakristei an der Ostseite mit dem Treppenaufgang zur Kanzel wird durch drei schmale Rundbogenfenster erhellt. 1853 nimmt der Malermeister W. Grotefent die abschließenden Arbeiten vor.

Die nächste gründliche Renovierung der Kirche findet dann erst 1906 im zeitbedingten Jugendstil statt, der in dieser Form in einer Kirche einzigartig ist im Hildesheimer Land.

Nach dem Zweiten Weltkrieg feiert die Gemeinde 1948 das 100jährige Kirchweihfest und erhält eine neue Gussglocke. Die vorletzte große Renovierung schreibt das Jahr 1970 und erbringt neues Gestühl, einen neuen Fußboden und die Aufgabe des Mittelganges.

1986 kann die restaurierte Orgel eingeweiht werden, 1988 wird die Turmbekrönung erneuert und schließlich wird die von der gesammten Bettrumer Gemeinde gestiftete neue e-Glocke („Glocke der Einheit und des Friedens“) am Ostersonntag 1995 durch das Geläut der benachbarten Kirchenglocken begrüßt.

Wenn wir heute durch den im Jahre 2003 (im Zuge der Installation einer Bankheizung) wieder hergestellten historischen Mittelgang schreiten, sehen wir über dem Altar das Gemälde von der Grablegung Christi, rechts und links der Kanzel die Bilder von Kreuzigung und Auferstehung. Im Glasfenster über der Kanzel symbolisiert die Taube das Wirken des Heiligen Geistes. Die himmlische Krönung sind die vier Engel (himmlische Heerscharen), die den weihnachtlichen Lobgesang singen: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden“.

Die beiden Engel rechts und links des Altars tragen Brot und Wein in den Händen, die Zeichen der Gegenwart Jesu Christi im Heiligen Abendmahl, gedeutet durch die Inschrift über der gesamten Altarwand, die Einladung Jesu: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid.“

Adresse

Breite Str. 5
31185 Bettrum